Eigentlich könnte dieses schon unser 10. Geburtstag sein, denn die Idee einer Selbsthilfegruppe wurde schon im April 1996 geboren. Damals meldete sich Frau Erika Hahn im Selbsthilfebüro Offenbach mit der Bitte, sie bei der Gründung einer Elternselbsthilfegruppe für schwerstpflegebedürftige Kinder zu unterstützen.
Nachdem durch Pressearbeit auf dieses Anliegen aufmerksam gemacht wurde, trafen sich im Oktober 1996 mit Erika Hahn, Beate Junk und mir drei betroffene Mütter zum Gründungstreffen einer Selbsthilfegruppe im Selbsthilfebüro. Wir gaben der Gruppe den Namen INTENSIVkinder zuhause, weil unser gemeinsamer Lebenshintergrund der Alltag mit einem schwerst- oder auch intensivpflegebedürftigen Kind zuhause war.
Unser Anliegen war es einerseits, uns gegenseitig in unserem durch die Krankheit der Kinder schwer belasteten Leben mit Rat und Tat zur Seite zu stehen, andererseits aber auch Kontakt zu anderen Familien zu suchen, sowie als Ansprechpartner für hilfesuchende Eltern da zu sein. Im Jahr 1997 trafen wir uns dann insgesamt fünf Mal, manchmal auch mit Unterstützung durch eine Supervisorin, um persönliche Probleme besprechen, aber auch Perspektiven für die weitere Gruppenarbeit zu entwickeln.
Wir entwarfen ein Faltblatt zur besseren Präsentation unseres Anliegens und betätigten uns kreativ bei den ersten Entwürfen für ein Vereinslogo, das dann später von einer Grafikdesignerin für uns gestaltet wurde. Bedingt durch steigende bundesweite Anfragen betroffener Eltern konnten wir – immer mit Unterstützung und Begleitung durch Thomas Schüler vom Selbsthilfebüro Offenbach eine erste Verteilerliste erstellen.
Im Sommer 1997 präsentierte sich unsere kleine Selbsthilfegruppe mit einem Informationsstand beim Offenbacher Selbsthilfegruppentag zum ersten Mal in der Öffentlichkeit und wurde Mitglied in der AG der Selbsthilfegruppen der Stadt Offenbach. Es folgten die Eintragung bei der Nakos (Nationale Kontaktstelle für Selbsthilfegruppen, Berlin) und beim Kindernetzwerk in Aschaffenburg.
Obwohl unsere Eltern-Adressenliste immer mehr Einträge verzeichnete, blieb die Kerngruppe in Offenbach weiterhin sehr klein und unsere Aktivitäten mit 2 Treffen im Jahr 1998 sehr begrenzt, u.a. auch durch meinem Umzug nach Baden-Württemberg. Trotzdem begannen wir wegen verstärkter Nachfrage von betroffenen Familien mit der Planung eines ersten bundesweiten Treffens.
Zeitgleich gründeten sich in Niedersachsen eine Elterngruppe um Frau Rotraut Schiller-Specht und eine Gruppe in Nordrhein-Westfalen mit Frau Anke Notthoff. Unser 1.Elterntreffen von INTENSIVkinder zuhause veranstalteten wir dann im Mai 1999in den Räumen des Selbsthilfebüros. 25 Elternpaare aus ganz Deutschland reisten an. Sie wollten zum einen Kontakte zu Gleichbetroffenen knüpfen, zum anderen Informationen von 15 Professionellen aus Krankenkasse, Pflegediensten und Kliniken erhalten.
Mittlerweile erstreckten sich die Selbsthilfegruppenaktivitäten auf das ganze Bundesgebiet mit Regionalgruppen in Berlin, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Baden-Württemberg. Im Dezember 1999 fand dann das letzte Offenbacher Treffen der kleinen Kerngruppe statt und die Arbeit verlagerte sich nach Sinsheim in Baden-Württemberg. Von dort aus wurde dann im Mai 2000 das 2. Elterntreffen organisiert, zu dem 60 Eltern und 9 Professionelle in drangvoller aber gemütlicher Enge des Selbsthilfebüros zusammenkamen.
Hier wurde dann von den Betroffenen auch der Beschluss gefasst, die Vereinsgründung von INTENSIVkinder zuhause bei einem nächsten Treffen durchzuführen. In den folgenden 8 Monaten war ich mit der Erstellung einer Satzung, Antrag auf Gründung eines Vereins beim Finanzamt und der Suche nach aktiven Interessenten für die offiziell zu besetzenden Posten im Vorstand beschäftigt. Dabei konnte ich mich immer auf die – wenn auch jetzt weit entfernte – Hilfe von Thomas Schüler verlassen, der mir immer mit großem Engagement und Kompetenz zur Seite stand.
Die GKinD-Arbeitsgruppe „Dauerbeatmete Kinder und Jugendliche“, deren Mitglied ich seit 1999 war, unterstützte unsere Vereinsgründung sehr. Sie ermöglichten es uns im Rahmen ihrer Dialogtagung im März 2001 mit Unterstützung des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend unsere Gründungsversammlung in Bonn durchzuführen.
Am 10.März 2001 um 16.30 war es geschafft: mit einer von der Gründungsversammlung angenommenen Satzung und dem neuen Vorstand war aus einer Selbsthilfegruppe der neue bundesweit aktive Verein INTENSIVkinder zuhause e.V. für Intensivkinder und deren Familien geworden!
Und so hätte damals unsere „Geburtsanzeige“ aussehen können:
Am 20.März 2001 erhielt der Verein vom Finanzamt Sinsheim die Bescheinigung über die Gemeinnützigkeit und am 10. April wurde der Verein mit der Vereinsregisternummer 679 ins Vereinsregister der Stadt Sinsheim eingetragen.
Voller Elan und Hoffnung ging der neue Vorstand – bestehend aus Juta Petersen-Müller, Berlin, als 2. Vorsitzende, Pia Gastler, Weil der Stadt, als Schatzmeisterin, Rotraut Schiller-Specht, Ronnenberg/Hannover, als Schriftführerin und mir als 1. Vorsitzende – den nun anstehenden Berg an Arbeit an. Wir hatten aus einer Selbsthilfegruppe einen Verein gemacht, um effektiver in einer anerkannten Organisationsform arbeiten zu können, um finanzielle Unterstützung von außen zu bekommen und um unsere Anliegen bundesweit besser bekannt zu machen.
Es gab viele Ideen, viele Pläne und Projekte, um unsere Arbeit für die betroffenen Familien noch besser zu gestalten. Und es brauchte viel Zeit und Organisationstalent – auch heute noch – um das alles umzusetzen. Unsere 1. Vorstandsitzung fand 4 Wochen nach der Vereinsgründung in Sinsheim statt. Die sehr umfangreiche Tagesordnung enthielt u.a. die Planung unserer ersten in Eigenregie zu organisierenden Elternbegegnungstagung 2002 in Sarstedt, die Neugestaltung unseres damals noch blauen Faltblattes, die ersten Vorarbeiten zum Aufbau einer Adressen-Datenbank und die Suche nach finanziellen Fördermöglichkeiten.
Gerade die Organisation der Elternbegegnungstagung 2002 mit unserer 1.Mitgliederversammlung war eine große Herausforderung, da wir alle noch keinerlei Erfahrung mit Tagungsstätten, Einladungsverfahren, Mitgliederversammlung, Programmgestaltung, Ausstellungsplanung und Vortragsgestaltung hatten. Aber mit viel Engagement, Mut und ein wenig Risikobereitschaft meisterten wir damals und auch heute noch (fast) alle Hürden. Die erste eigene Elterntagung (105! Teilnehmer) mit Übernachtung, Elternabend, Ausstellung, 3 Vorträgen und unserer 1. Mitgliederversammlung war dann auch ein voller Erfolg.
Alle unsere mittlerweile fünf Elterntagungen wurden nach diesem Muster „gestrickt“ und die stetig steigende Teilnehmerzahl sowie die Bekanntheit unserer Tagung in Eltern- und Fachkreisen zeigte uns, dass sich unser Konzept bewährt hat.
Die Elternbegegnungstagungen sind in jedem Jahr Höhepunkt unseres Vereinslebens und mittlerweile eine feste Größe für alle Mitglieder. Eine weitere, mittlerweile regelmäßige Vereinsveranstaltung ist das jährliche Regionalleitertreffen. In den vergangenen 5 Jahren ist die Zahl unserer Regionalgruppen in den verschiedenen Bundesländern stetig angestiegen. Während bei Vereinsgründung mit Baden-Württemberg, Berlin, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen erst 4 Regionalgruppen aktiv waren, gibt es jetzt 10 Regionalgruppen, d.h. INTENSIVkinder zuhause e.V. ist in über 60% aller Bundesländer vertreten. Dabei ist auffällig dass wir in den „neuen“ Bundesländern kaum mit Mitgliedern vertreten sind und es dementsprechend hier nur wenige Regionalgruppen gibt.
Die Regionalleiter aller Gruppen finden sich beim Regionalleitertreffen meist am Anfang des neuen Jahres zu einem 2‑tätigen Seminar zusammen, das zur Weiterbildung, Information und zur Kontaktpflege dient. Kompetente Referenten sprachen in diesem Rahmen schon zu den Themen Aufbau einer neuen Gruppe, Finanzierungsmöglichkeiten und Öffentlichkeitsarbeit, Motivation von Mitgliedern, Zeitmanagement im Ehrenamt und EDV-Schulung. Zu diesen beiden regelmäßigen Veranstaltungen sind in den vergangenen Jahren mehrere „Highlights“ dazu gekommen. Sie sollen den Eltern vielfache Möglichkeiten geben, Kontakt zu anderen Betroffenen aufzunehmen, aktuelle Informationen zu bekommen oder Kraft zu schöpfen für Ihren anstrengenden Alltag zuhause.
So findet seit September 2003 jährlich ein Frauenseminar unter dem Titel „Die Quellen meiner Kraft“ statt, bei dem 20 Mütter von Intensivkindern unter fachkundiger Anleitung Möglichkeiten kennen lernen, ihre eigenen Kraftquellen (wieder-) zu entdecken, um ihre großen psychischen und physischen Belastungen im Leben mit einem intensivpflegebedürftigem Kind besser tragen zu können. Da dieses Seminar in den vergangenen 3 Jahren auf der Wasserburg in Kleve, in Herrsching am Ammersee und in Rotenburg/Fulda großen Anklang fand und den Frauen eine wichtige Auszeit schenkte, wird es sicherlich fortgesetzt werden.
Ebenfalls seit 2003 treffen sich jährlich im Sommer oder Herbst 12 – 15 Familien zu einem mittlerweile 4‑tägigen Familienseminar im Nils-Stensen-Haus in Lilienthal (Niedersachsen).Dort konnten Familien mit ihren Intensivkindern oft zum ersten Mal gemeinsam einen kleinen „Urlaub“ mit Seminarprogramm genießen. Es wurden ein Programm für Eltern und für Kinder, kompetente, auch medizinische Betreuung der Intensivkinder und Aktionen für die Geschwisterkinder angeboten und es gab viel Zeit für Gespräche, Erholung und gemeinsame Familienaktivitäten.
Da die Frauenseminare den Müttern wohl so gut gefielen, schwärmten sie ihren Männern offensichtlich davon vor, denn: Als wir bei der Mitgliederversammlung 2004 eher etwas vorsichtig die Frage stellten, ob denn Interesse an einem Väterseminar bestehe, meldeten augenblicklich 10 Männer ihren „Anspruch“ an. Und diesen Auftrag haben wir nach einer längeren Anlaufphase umgesetzt: erstmals im Mai 2006 findet in Langau/Bayern eine Seminar für 10 betroffene Väter unter der Leitung eines erfahrenen Familientherapeuten statt.
Ein besonderer Höhepunkt unserer Vereinsarbeit – der auch über 2 Jahre Planung im Vorfeld brauchte – war unsere 1. Familienfreizeit im Sommer 2005, dem 5. Jahr unseres Bestehens. Eine Woche lang verbrachten 17 Familien mit ihren Intensivkindern ihren Urlaub im Feriendorf Rappenhof in Gschwend (Hohenlohe, Baden-Württemberg). Unser Verein hatte das komplette Dorf mit 15 Ferienhäusern, 5 davon rollstuhlgerecht, mehreren Appartements und Zimmern rund um einen alten Bauernhof angemietet, um Familien mit Intensivkindern einen oft jahrelang nicht durchführbaren Urlaub mit Rundum-Betreuung zu ermöglichen.
Dazu gehört – wie bei fast allen Aktivitäten mit Intensivkindern – selbstverständlich die bestmögliche Versorgung der z.T. schwerstpflegebedürftigen Kinder. Es gelang uns u.a. mit Hilfe einer sehr kompetenten Intensivkinderkrankenschwester für eine Woche ein komplettes Pflegeteam mit 20 Pflegefachkräften aufzubauen, so dass jeder Familie für rund 8 Stunden am Tag oder auch in der Nacht eine Intensivkinderkrankenschwester zur Verfügung stand und die Familie entlastete.
Um das Wohl der Geschwisterkinder kümmerte sich das pädagogische Team des Rappenhofes mit einem abwechslungsreichen Tagesprogramm und auch für die Eltern waren Aktivitäten organisiert. Die größte Attraktion aber war zweifellos die im Sommer zum Feriendorf gehörende Zirkusstadt „Pimparello“. Dort im großen 4‑Mast- Zirkuszelt fand am letzten Urlaubstag eine einzigartige Zirkusvorstellung mit all unseren Kindern statt, wofür sie gemeinsam jeden Tag zwei Stunden lang jede Menge Kunststücke einstudiert hatten.
Für die über 80 Teilnehmer der 1.Familienfreizeit ging diese gemeinsame Woche auf dem Rappenhof mit Zirkus, Streicheltieren, Reiten, Basteln, Ausflügen, Singen, Lesen, Schlafen, Ausruhen, Zeit für den Partner und jede Menge Gespräche viel zu schnell zu Ende! Die Fortsetzung der Familienfreizeit ist bereits angedacht…..! Abgerundet wurde das Jahr 2005 dann durch eine in Hannover durchgeführte Aktion unter dem Titel: „Mit allen Sinnen – Freizeitangebote für schwerstmehrfachbehinderte und intensivpflegebedürftige Kinder“.
Mit finanzieller Unterstützung durch die Aktion Mensch konnten hier an 6 Samstagen Intensivkinder in unterschiedlichen Aktionen von erfahrenen Mitarbeitern der GIS Hannover (Gemeinnützige Gesellschaft für Integrative Sozialdienste) betreut werden, so dass die Eltern endlich einmal Zeit fanden, etwas für sich zu tun. Dabei hatten die Kinder samstags von 10.00−17.00 Uhr viel Spaß an den 6 Aktionsthemen „Maultier-Reiten und Streicheltiere“, „Besuch eines Kinderbauernhofes“, „Bewegungstag“, „Das Farbklecksmonster ist unterwegs“, „Überall Musik“ und „Kreatives Farberleben“.
Neben diesen großen Veranstaltungen waren die 5 Jahre Vereinsarbeit auch ausgefüllt mit der Teilnahme an regionalen Selbsthilfegruppen-Tagen, an Messen (Reha-Care, Reha-Messe Hamburg), an vielen Tagungen (u.a. Wuppertaler und Siegener Fachtagung) und Kongressen, an Arbeitsgruppen und Runden Tischen und an Hauptversammlungen verschiedener Verbände. Nun noch einige Informationen zur Arbeit des Vorstandes: Aufgabe des Vorstandes war und ist es, alle Aktivitäten zu planen und durchzuführen und daneben das „Tagesgeschäft“ zu erledigen, wobei hier die direkte Beratung und Unterstützung betroffener Eltern – meist in einer akuten Situation – der wichtigste Teil der Arbeit ist.
Wir treffen uns drei Mal im Jahr für 2 – 3 Tage, meist am Wohnort eines Vorstandsmitglieds. Mittlerweile sind wir von Nordenham bis Sindelfingen 15-mal zusammengekommen, um für die steigende Anzahl unserer Mitglieder bestmögliche Arbeit zu leisten.
Dazu gehört auch, dass Jahr für Jahr die finanzielle Situation sichergestellt wird durch Beantragung von Fördergeldern, Anträgen bei Stiftungen, Wohlfahrtsverbänden und anderen Förderern. Aus unseren Jahresbilanzen 2001 – 2005 ist zu entnehmen, dass unsere Einnahmen von 14.000 € (2001) auf 55.000 €(2004) anstiegen, während unsere Ausgaben im gleichen Zeitraum von 3.600€ (2001) auf 52.000€ (2004) zunahmen. Öffentlichkeitsarbeit ist eine der Hauptsäulen unserer Vereinsarbeit, denn nur, wenn der Verein auf breiter Ebene bekannt ist, finden Betroffene auch den Weg zu uns.
Außerdem können wir auf diese Weise unsere Probleme und Anliegen in das öffentliche Bewusstsein transportieren und vielleicht Schritt für Schritt Verständnis und Unterstützung erreichen. Ein wichtiges Medium ist dabei unsere Internetseite intensivkinder.de , die im Jahr 2001 von unserem Vereinsmitglied Susanne Leefers gestaltet und ins Netz gestellt wurde. Bis jetzt gab es schon über 18.000 Zugriffe auf unsere Homepage!! Und viele neue Eltern haben auf diesem Weg zu uns gefunden und Kontakt aufgenommen.
Und zu guter Letzt noch einige Worte zu unserer Mitglieder-Information, die seit Anfang 2003 mit 2 – 3 Ausgaben (Auflage: 300 – 350 Exempl.) pro Jahr an unsere Mitglieder geht. Mittlerweile gibt es 7 Ausgaben, die alles Wissenswerte rund um unseren Verein, sowie Tipps, Adressen, aktuelle Urteile, Elternberichte, Presseartikel, Fotos und, und….vermitteln.
Dabei sind wir immer wieder auf Beiträge der Mitglieder und Betroffenen angewiesen, um eine interessante, aktuelle Mitglieder-Information „von Allen für Alle“ zusammenstellen zu können. Mit dieser Ausgabe halten Sie nun eine Mitglieder-Information in der Hand, die speziell für unseren 5. Geburtstag zusammengestellt wurde. So in der Gegenwart angekommen, möchte ich meinen kleinen geschichtlichen Streifzug beenden und hoffe auf viele weitere gute Jahre für unseren Verein INTENSIVkinder zuhause e.V.